Kaum jemand in der türkischen Süper Lig besitzt ein vergleichbar fußballerisches Talent wie Fenerbahçes Ozan Tufan. Doch der 25-jährige Mittelfeldmann, der schon früh zum Hoffnungsträger einer ganzen Nation erklärt wurde, scheitert regelmäßig an sich selbst. Schwankende Leistungen, Unbedachtheiten und nicht zuletzt die Debatte über sein Körpergewicht bremsen den türkischen Nationalspieler immer wieder in der eigenen Entwicklung – jetzt wieder.
Es gibt Fußballer, die ihr offensichtlich vorhandenes Talent eigenwillig nicht ausreizen oder es geradezu verschwenden. Der italienische Skandal-Stürmer Mario Balotelli könnte zweifelsohne dieser Kategorie der nicht-vollendeten Fußballer als treffendes Beispiel zugewiesen werden. Und es gibt beschlagene Fußballer, die allen voran wegen zahlreicher Rand-Einflüsse und unter dem Druck der Öffentlichkeit geradezu zerbrechen. Mario Götze gilt hier als das wohl bekannteste Phänomen. Welcher Kategorie jetzt Fenerbahçes Ozan Tufan eher zuzuordnen ist, ist Auslegungssache. Wahrscheinlich vereint Ozan beide Pauschalisierungen ein wenig.
Mit 26 Liga-Einsätzen gehört Ozan Tufan in dieser Spielzeit zweifelsohne zu den Leistungsträgern bei Fenerbahçe. Im zentralen Mittelfeld und zeitweise sogar als erste Alternative auf der vakanten Position des Rechtsverteidigers lieferte der 25-Jährige meist eine überzeugende Leistung ab. In Abwesenheit von Emre Belözoğlu trug Ozan gar die Kapitänsbinde der "Kanarienvögel". Zum Auftakt des Re-Starts folgte dann aber die erste Delle der bis dato zufrieden stellenden Saisonleistung: Nach nur zwölf Minuten im Spiel gegen Kayseri sah Ozan nach einem harten Tackling im Mittelfeld glatt Rot. Auch wenn die Entscheidung des Schiedsrichters durchaus diskutabel und letztendlich wohl zu hart war, erwies Ozan seiner Mannschaft damit einen Bärendienst.
Aufhänger EM 2016, danach Rauswurf bei Fenerbahçe und "Therapie" bei Alanya
Kritiker sagen, Ozan sei kein guter Kapitän, weil er nicht im Sinne des Teams handele, sondern vorwiegend an sich selbst denke. Bis heute sorgt ein Gegentreffer der türkischen Nationalmannschaft bei dem Fußball-EM 2016, als sich Ozan kurz vor dem gegnerischen Abschluss mehrmals durch die Haare fuhr anstatt den Schuss zu blocken, für Diskussion. Im Training zeige der hoch talentierte Türke zudem wiederholt wenig Ehrgeiz und leiste sich immer wieder Undiszipliniertheiten. Dies führte schlussendlich auch dazu, dass Ozan vor der zurückliegenden Saison ins Reserve-Team des 19-maligen türkischen Meisters abgeschoben wurde. Erst die halbjährige Leihe zu Alanya in der Rückrunde brachte ihn wieder in die Spur. Der damalige Alanya und heutige Beşiktaş-Trainer sagte zu jener Zeit: "Wir werden einige Zeit brauchen, bis er wieder der Alte ist. Dass er ein sehr guter Fußballer ist, steht aber außer Frage."
Zu jener Zeit hatte der 1,82m große Ozan auch mit massiven Gewichtsproblemen zu kämpfen. Dem Vernehmen nach hatte er zwischenzeitlich sieben Kilo zu viel auf der Waage und einen Körperfettanteil von über 15 Prozent – drastische Werte für einen Leistungssportler! Mittlerweile soll Ozan durch ein gezieltes Diät-Programm wieder zu seinem Idealgewicht gefunden haben. Zum Auftakt der Süper Lig nach über drei Monaten Pause, in denen sich die Spieler vorwiegend von Zuhause aus fit halten mussten, wirkte er dennoch etwas pomadig.
Letztendlich liegt es an Ozan selbst, wie erfolgreich seine Karriere verlaufen wird. Sowohl bei Fenerbahçe als auch in der türkischen Nationalmannschaft, wo er mit 25 Jahren bereits 49 Länderspiele absolviert hat, stehen ihm alle Türen offen.