Während Jorge Jesus sein System insgesamt den Umständen anpasst und bei Bedarf auch von der eingespielten Dreierkette zum traditionellen 4-4-2 wechseln kann, bleibt die Mittelfeldzentrale zumindest quantitativ unangetastet. Zwei Plätze stehen zur Verfügung und die Anwärter haben allesamt Stammplatzpotenzial.
In der letzten Saison war noch das 4-3-3 der Schlüssel zum späten Erfolg gewesen. Mit einem Sechser und zwei Achtern, die allesamt allerdings auch Positionen tauschen konnten, rollten die Gelb-Marineblauen das Feld von hinten auf und schlossen die Saison auf Platz zwei ab. Das allerdings ist Geschichte. Jesus vertraut grundsätzlich auf einen Sechser, der in der Defensive wahlweise die Passwege im Mittelfeld zustellt oder bis in die Kette absinkt und von dort in der Offensive Angriffe initiiert und absichert. Daneben spielt ein Box-to-Box-Spieler, der die gegnerische Zentrale unter Druck setzt und sich in das Angriffsspiel seiner Mannschaft einschaltet. Das Luxusproblem des Trainers sind die zahlreichen Anwärter auf nur zwei Plätze.
Der Gesetzte
Wirklich zur Verfügung steht allerdings in der Regel nur der etwas offensivere Part. Der Brasilianer Willian Arão ist nämlich der erklärte Wunschspieler seines Trainers und deshalb weitestgehend unter ihm gesetzt. Die Sechs wird nur vakant, wenn der 29-Jährige eine Pause erhält. Sein Spiel ist dabei wenig spektakulär, dafür aber umso effektiver. Arão sichert ab und sorgt so für die nötige Balance. Seine Geschwindigkeitsdefizite gleicht er meistens durch gutes Stellungsspiel aus. Er gehört aufgrund seiner Ruhe am Ball zur absoluten Stammbesetzung.
Die Überraschung
Eigentlich war İsmail Yüksek nicht eingeplant. Nach seiner Leihe zu Bursaspor sollte er erneut abgegeben werden. Dann folgten überragende Auftritte in der Vorbereitung und Jesus legte sein Veto gegen einen Wechsel ein. Gegen Kiew fing sich Yüksek dann zwar eine dumme Gelb-Rote Karte ein, aber selbst in diesem Spiel waren seine Qualitäten unübersehbar. Zwar muss er sich klar hinter Arão einordnen, kommt aber dennoch bereits auf acht Pflichtspiele und steht nun sogar vor seinem Debüt in der Nationalmannschaft.
Der Techniker
Für viele Fenerbahçe-Fans und durchaus einige Experten ist Miguel Crespo einer der besten Mittelfeldspieler der Süper Lig. Seine Leistungen in der letzten Saison waren einer der Hauptgründe, warum sein Verein spät noch einmal ins Meisterrennen einstieg. Nur bis zu seinem neuen Trainer schienen seine Qualitäten nicht durchgedrungen zu sein. Er ließ seinen Landsmann fast durchgängig außen vor und viele Fans befürchteten bereits, dass Crespo einem lukrativen Angebot erliegen und weggehen würde. Der Grund war allerdings, dass der 26-Jährige aus einer Verletzung kam und nur langsam wieder Schritt fasste. Jetzt kann man ihn wohl vorsichtig als Nummer zwei der Rangordnung ansehen. Zuletzt war er meist gesetzt und erzielte sogar sein erstes Saisontor. Crespo ist technisch stark, emsig und ein Allrounder, der offensive und defensive Qualitäten mitbringt. Auch sein Trainer will darauf nicht mehr verzichten.
Der Offensive
Das passiert zum Leidwesen von Miha Zajc. Spielte der Slowene in der letzten Saison noch neben Crespo, sind die beiden nun Konkurrenten. Zajc war zunächst gesetzt und wusste zu überzeugen, aktuell ist er allerdings außen vor. Der 28-Jährige ist der offensivste zentrale Mittelfeldspieler im Kader und daher zwar eine Waffe, aber auch manchmal ein Risiko, wenn es um die Absicherung geht. Da der Sturm sich sowieso treffsicher zeigt, kann Jesus eher auf Stabilität im Mittelfeld setzen. Daher sitzt Zajc im Prinzip unschuldig nur auf der Bank.
Der Arbeiter
Die technischen Fähigkeiten seiner (ehemaligen) Nebenleute hat Mert Hakan Yandaş nicht. Der einmalige Nationalspieler überzeugt stattdessen mit Herz, Einsatz und echten Nehmerqualitäten. In der letzten Saison musste er sich zeitweise von einem Teil der eigenen Fans übel beleidigen und ausbuhen lassen. Zwar setzten ihm die Schmähungen merklich zu, statt aufzugeben biss er sich allerdings durch und überzeugte zum Saisonendspurt wohl auch die meisten seiner Kritiker. Durch eine Verletzung verpasste er den Auftakt der aktuellen Spielzeit und muss sich auch jetzt noch hintenanstellen. Wenn er allerdings gebraucht wird, ist er da und schmeißt sich in jeden Zweikampf. Die meisten Fans honorieren das und auch der Trainer wird wissen, was er an Yandaş hat.
Fünf starke Optionen
Müsste man sich als Beobachter auf eine Stammelf festlegen, würde man wohl das Duo Arão/Crespo nennen, das aktuell die Nase vorn hat. Die anderen Spieler sind allerdings offenkundig nah dran und halten so den Druck hoch. Anders als in Teilen der letzten Saison hat Fenerbahçe kein Mittelfeldproblem. Im Gegenteil: Gerade die Zentrale lässt die Offensivabteilung glänzen.
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