Am Sonntagabend empfing Fenerbahçe in einem der heißesten erwarteten Derbys der Saison Beşiktaş. In einem historischen Derby gelang den Gästen das Unvorstellbare: Im Rückstand und nur noch mit zehn Mann drehten die Kicker vom Bosporus die Partie und gewannen am Ende mit 4:2. Mann des Abends war dabei der eingewechselte Nathan Redmond, der einen Treffer erzielen und drei vorbereiten konnte. Für Beşiktaş wahr es nach 2005 und 2020 in diesem Jahrtausend schon das dritte Mal, dass man in Unterzahl ein Derby in Kadıköy gewinnen konnte. Kurios: Şenol Güneş siegte in Kadıköy zum ersten Mal!
Im Vergleich zum 3:1 Auswärtssieg bei Alanyaspor vor zwei Wochen gab es in der Startaufstellung von Fenerbahçe gab es gleich fünf Änderungen: Aufgrund einer Verletzungswelle beim 19-fachen Meister und um dem neuen Spielstiel mit einer Dreierkette in der Abwehr zu entsprechen bekamen anstelle von Gustavo Henrique, Jay Oosterwolde, İsmail Yüksek, Diego Rossi und İrfan Can Kahveci nun Attila Szalai, Serdar Aziz, Bright Osayi-Samuel, Mert Hakan Yandaş und Arda Güler die Chance, sich zu beweisen. Bei Beşiktaş gab es im Vergleich zum 3:1 Sieg über İstanbulspor tatsächlich keinerlei Änderung und man trat auch heute mit der exakt gleichen Aufstellung an.
Fenerbahçe mit druckvollem Beginn
Von Beginn an kannte das Spiel nur eine Richtung: Auf das Beşiktaş-Tor. Die Gastgeber wollten von Anfang an keinerlei Zweifel aufkommen lassen, wer hier als Sieger vom Platz gehen würde und schnürten mit ihren Angriffen die "Schwarzen Adler" förmlich am eigenen Strafraum ein. Dabei versuchten die Hausherren aus allen Lagen, Chancen zu kreieren. Sei es durch Weitschuss, durch Kombination oder durch Standardsituation. Tatsächlich sprangen so auch einige gute Chancen durch Attila Szalai (11.), Arda Güler (18.), Enner Valencia (23.) sowie einigen anderen heraus. Zum Torerfolg führte allerdings keiner dieser Versuche, nicht zuletzt, da es der Offensive des 19-fachen türkischen Meisters an der nötigen Effizienz und Präzision fehlte.
Überragende erste Hälfte von Fener-Juwel Arda Güler
Bei Fenerbahçe war es vor allem das gerade einmal 18-jährige Mittelfeldjuwel Arda Güler, das alle Zügel in die Hand nahm und einen Angriff nach dem nächsten initiierte. Dabei glänzte der junge Nationalspieler sowohl durch seine Übersicht im Spiel als auch durch sein Dribbeltalent, womit er so manchen gestandenen Beşiktaş-Verteidiger alt aussehen ließ. In der 37. Spielminute kam dann der große Auftritt des 18-Jährigen. Im halbrechten Raum nahm Güler einen herunterfallenden Ball gekonnt an, mit dem er den völlig verdutzten Hadžiahmetović überspielte, legte sich an der Strafraumkante den Ball vor, zog nach innen, dribbelte an vier Spielern vorbei, ehe er innerhalb des Sechzehners von Onur Bulut zu Fall gebracht wurde. Der Schiedsrichter Halil Umut Meler entschied auf Elfmeter.
Valencia vom Punkt mit der verdienten Führung für die Hausherren
Auch wenn man über den Pfiff am Ende streiten konnte, hob Güler doch sehr früh ab und wollte er diesen Strafstoß offensichtlich, die dem Pfiff vorausgehende Aktion war absolute Weltklasse. Über die Entscheidung des Schiedsrichters wurde heftig diskutiert, doch am Ende hatte diese Bestand. Enner Valencia übernahm die Verantwortung und schob den Ball vom Punkt lässig links unten ein (41.). Für den Ecuadorianer war es bereits Saisontreffer Nummer 26 in der Liga. Im Anschluss an das 1:0 versuchten auch die Gäste wieder mitzuspielen und hatte durch den zuvor für den angeschlagenen Sanuç eingewechselten Welinton (43.) und Cenk Tosun (44.) gute Chancen, doch es kam nichts Zählbares dabei herum, weshalb es mit einer verdienten Führung für die Hausgäste in die Halbzeitpause ging.
Platzverweis für Welinton und Valencia verschießt Elfmeter
Auch die zweite Hälfte begann turbulent. Nachdem Gäste-Trainer Şenol Güneş nach der Pause Alexandru Maxim und Nathan Redmond für Rachid Ghezzal und Amir Hadžiahmetović einwechselte, dauerte es nicht mehr lange, bis Fenerbahçe wieder die Kontrolle im Spiel übernahm. Arda Güler erkämpfte sich kurz vor der Mittellinie den Ball und schickte mit einem gut getimten Steilpass Enner Valencia, der schließlich im Strafraum vom hinterherhechelnden Welinton unfair gestoppt wurde. So hieß es Elfmeter für Fenerbahçe, während Welinton mit der Ampelkarte vorzeitig duschen gehen durfte. Valencia trat wieder selbstsicher an und wieder nahm er unten links ins Visier, doch diesmal klatschte der Ball an den Pfosten und der 33-Jährige durfte nicht seinen 27. Saisontreffer bejubeln.
Duo aus Redmond und Tosun dreht für dezimiertes Beşiktaş das Spiel
Nun wurde es kurios: Fenerbahçe war bis dahin drückend überlegen gewesen und hätte mit dem möglichen 2:0 vom Punkt gegen die dezimierten Gäste alles klarmachen können, doch es kam anders. In der 58. Spielminute hatte der eingewechselte Nathan Redmond plötzlich eine Idee und spielte aus der eigenen Hälfte einen Steilpass hinter die Fenerbahçe-Abwehr. Diese war davon völlig überrumpelt, sodass der aufmerksame Tosun nach vorne laufen, den Ball annehmen und das Spielgerät an Torhüter Bayındır vorbei den Ball zum völlig überraschenden Ausgleich im Kasten unterbringen konnte. Doch das war noch nicht alles. Gerade einmal vier Minuten später, lud Redmond rechts an der Seitenlinie Samet Akaydın zum Tänzchen ein, dribbelte geschickt an diesem vorbei und schlug eine scharfe Flanke in den Strafraum, wo erneut Cenk Tosun eingelaufen kam und den Ball geschickt per Kopf am Keeper vorbei einnetzte. Wie das jetzt passieren konnte, konnte sich bei den Gastgebern keiner so richtig erklären. Zweimal kamen die Gäste vors Tor und zweimal schlugen sie eiskalt zu.
Nathan Redmond macht nach starker Einzelaktion das 3:1 für die Gäste
Nun war bei Beşiktaş Mauern angesagt. Man igelte sich am eigenen Sechzehner ein und lauerte auf Kontergelegenheiten, wie vorm 1:1. Die Hausherren wiederum steckten aber nicht auf, sondern im Gegenteil drückten nun wieder. Was soll man nun aber sagen: Fußball ist einfach ein verrückter Sport! Während die Gastgeber drückten und nach dem Ausgleich suchten, beschloss Nathan Redmond, die Party mal so richtig zu crashen. In der eigenen Hälfte kam der 29-Jährige an den Ball und lief einfach mal nach vorne. Spielend ließ er dabei einen Fenerbahçe-Akteur nach dem nächsten stehen, ehe er sich aus knapp 25 Metern Torentfernung ein Herz fasste und einfach mal abzog. Der Ball wurde zu einem fiesen und platzierten Aufsetzer, der Fener-Schlussmann Altay Bayındır überhaupt keine Chance ließ und direkt neben dem linken Pfosten im Netz einschlug.
Bis dahin schwacher Aboubakar macht mit 4:1 den Deckel drauf
Die Zuschauer trauten ihren Augen nicht – die einen vor überbordender Freude, die anderen vor Entsetzen. 58 Minuten lang schien Fenerbahçe alles im Griff zu haben und spielte bis dahin ein sehr starken Derby. Man war in Überzahl und hätte mit zwei bis drei Toren führen müssen, doch stattdessen beschloss der eingewechselte Nathan Redmond, dass er auf Verlieren keinen Bock hatte, nahm seinen Kollegen Cenk Tosun noch mit und drehte mit drei überragenden Aktionen praktisch im Alleingang das Spiel. Fener versuchte nun noch einmal alles. Trainer Jorge Jesus brachte Serdar Dursun und İrfan Can Kahveci für den unglücklichen João Pedro sowie für den völlig ausgelaugten Arda Güler, um das eigene Offensivspiel für die letzten Minuten wieder zu beleben. Die "Kanarienvögel" drückten, sie kämpften, sie kamen zu Abschlüssen, doch immer wieder wahren entweder das Bein eines Beşiktaş-Verteidigers oder der erfahrene Schlussmann Mert Günok im Weg. So kam es, wie es kommen musste. Die Hausherren warfen alles nach vorne und die Gäste schlugen eiskalt zu. Wieder war es Nathan Redmond, der vor dem gegnerischen Strafraum in der 91. Spielminute den Ball bekam. Mit geschicktem Fuß spielte er den Ball auf den einlaufenden Vincent Aboubakar, der mit dem 4:1 den Deckel draufmachte.
4:2 für die Hausherren kommt zu spät
Die Gastgeber wollten sich nicht völlig bloßstellen lassen, hatten sie doch eigentlich die längste Zeit ein gutes Spiel gezeigt. In der fünften Minute der Nachspielzeit kam der eingewechselte İrfan Can Kahveci an den Ball und konnte aus der Distanz sehenswert den Ehrentreffer erzielen. Doch für eine Aufholjagd war es zu spät und so endete ein historisches Derby am Ende mit 4:2 für die "Schwarzen Adler". Der eigentliche Gewinner dieses Abends dürfte aber Galatasaray sein, deren Vorsprung in der Liga nun kaum noch einzuholen und womit die Meisterschaft praktisch entschieden sein dürfte. Als nächstes muss Fenerbahçe am kommenden Sonntag auswärts bei Fatih Karagümrük ran, während es Beşiktaş am Samstag als nächstes daheim mit Giresunspor zu tun bekommt.