In einer denkwürdigen Schlacht über 123 Minuten ist Fenerbahçe am Dienstagabend in der Champions-League-Qualifikation nicht über ein 1:1-Unentschieden gegen den OSC Lille hinausgekommen. Mit der 1:2-Hinspielniederlage ist der Königsklassen-Traum der Kanarienvögel damit zerplatzt.

Wegen einer Oberschenkelzerrung musste Fenerbahçe-Trainer Jose Mourinho kurzfristig auf Ferdi Kadıoğlu verzichten. Für den umworbenen Linksverteidiger, der offenbar unmittelbar vor einem Abgang steht, spielte Jayden Oosterwolde links hinten. Rechts hinten begann Mert Müldür für Bright Osayi-Samuel, im Mittelfeld Mert Hakan Yandaş für den weiter angeschlagenen Irfan Can Kahveci.

Etwa zwanzig Minuten brauchte Fenerbahçe um vor teils ohrenbetäubender Kulisse ins Spiel zu finden. Nach einem anfänglichen Chancenplus für die Gäste aus Nordfrankreich entwickelte sich fortan ein munterer Schlagabtausch. Von außerhalb des Strafraums feuerte Szymanski (25.) einen ersten Warnschuss auf den Kasten von Lille, wo mit Chevalier allerdings ein Torhüter zwischen den Pfosten stand, der Fenerbahçe noch ein ums andere Mal zur Verzweiflung bringen sollte. Auch beim nächsten Distanzschuss nach einer missglückten Klärung des LOSC von Yandaş war Chevalier (26.) zur Stelle. Nicht selten kamen die Kanarienvögel überfallartig bis an des Gegners Strafraum, in den entscheidenden Momenten fehlte aber immer etwas. Ein sich wiederholendes Muster: Saint-Maximin initiierte schnell über die Außen, in der Box war Dzeko dann aber einen Schritt zu langsam. Lille, das durch den Fenerbahçe-Aufschwung merklich zurückstecken musste, wurde vor der Pause nur noch einmal durch Top-Stürmer David (38.) gefährlich, dessen Schuss aber geblockt wurde. Mit einem torlosen Unentschieden ging es letztlich in die Pause.

Chevalier vereitelt reihenweise Hochkaräter – und wird dann vom eigenen Mann düpiert

Der zweite Durchgang begann personell unverändert und auch das Geschehen auf dem Rasen blieb rasant. Chevalier war gegen einen Yüksek-Hammer (54.) von der Strafraumgrenze einmal mehr dazwischen, auch Livakovic (65.) konnte sich Mitte des zweiten Durchgangs gegen Gomes mit einer Glanzparade auszeichnen. In diesen Minuten ging Mourinho dann auch mehr ins Risiko und brachte neben Osayi-Samuel für Müldür mit En-Nesyri für Yandaş auch einen weiteren Stürmer ins Spiel. Weil sich Lille gleichzeitig immer mehr zurückzog, lief die Partie ab der Schlussviertelstunde nur noch in eine Richtung: in die des Tores von Chevalier. Nach einer Kopfball-Ablage von Dzeko in Folge eines weiten Einwurfes schaute der Franzosen-Keeper einem Dropkick von Osayi-Samuel (81.) nur noch machtlos hinterher – der Ball klatschte aber noch gegen den rechten Pfosten. Auch Djiku (90.) verzeichnete mit einem Dropkick aus 20 Metern noch einen Hochkaräter – zum x-ten Mal jedoch von Chevalier vereitelt. Erst im Anschluss daran war der Lille-Torhüter plötzlich doch noch geschlagen: Nach einem weiten Einwurf von Oosterwolde von der linken Seite prallte der Ball vom Oberschenkel von Verteidiger Diakite (90.+1) ins eigene Tor. Fenerbahçe hatte ganz spät doch noch das nötige Glück, um die Verlängerung zu erzwingen.

VAR-Elfmeter in der 119. Minute bringt Fenerbahçe zum Schweigen

Die Verlängerung lief dann über weite Strecken chancenarmer, beide Mannschaften scheuten das Risiko. Erst die zweite Hälfte sollte nochmal aufregend, hitzig und kontrovers werden. Weil Lille-Verteidiger Mandi mit gestrecktem Bein auf Kopfhöhe gegen Kahveci zu Werke ging, sah dieser glatt Rot (108.). Aus der Überzahl machte Fenerbahçe aber nichts; im Gegenteil. Weil Oosterwolde einen David-Schuss mit der Hand abfälschte, zeigte Schiedsrichter Jose Maria Sanchez nach Sichtung der VAR-Bilder auf den Punkt. David (119.) trat selbst an, verwandelte sicher in die linke untere Ecke und brachte das gesamte Stadion damit zum Schweigen. Fenerbahçe warf in der Folge nochmal alles nach vorne, Tosun (120.) köpfte gar noch gegen die Latte, es sollte aber nicht mehr sein.

Foto: Ahmad Mora / Getty Images