Lange schien es als hätte Max Kruse Recht behalten und der Wechsel im vergangenen Sommer von Werder Bremen zu Fenerbahçe sei der richtige Schritt gewesen. Die einseitige Kündigung am gestrigen Donnerstag, mit der Spieler und Klub ab sofort getrennte Wegen gehen, zeigt jedoch, dass sich Kruse mit dem Wechsel in die Türkei verzockt hat. Eine kommentierende Analyse von LIGABlatt-Redakteur Mario Herb.
Wie ein Strohfeuer verbreitete sich am Donnerstag Abend die Meldung, dass Max Kruse den Vertrag mit Fenerbahçe einseitig gekündigt hat. Ausstehende Gehaltszahlungen seien laut einer Pressemitteilung von Fenerbahçe der Grund für Kruses vorzeitige Flucht aus Istanbul. Der Traditionsklub aus Kadıköy stritt jegliche Anschuldigungen des deutschen Nationalspielers umgehend ab und kündigte ein Gerichtsverfahren gegen Kruse an. Jetzt droht richtig Krach.
In der Türkei feiern sie dich als Gott, wenn du gute Leistungen bringst. Wenn du das nicht schaffst, bist du der Sündenbock – nicht wenige Ex-Profis sprechen so über ihre Erfahrungen in der Süper Lig sammelten. Max Kruse, bekannt für seine manchmal eigenwilligen Entscheidungen, waren die frenetischen Fans und die teils zu kritische türkische Presse durchaus geläufig. Nach seiner Ankunft bei Fenerbahçe im August 2019 schickte sich der heute 32-Jährige sofort an die Landessprache zu lernen und sang beim Derby sogar die türkische Nationalhymne mit – für die Fans ein unfassbarer Vertrauensbeweis, der Kruse viel Kredit gab. Als er nach über zehn Spielen immer noch ohne Treffer da stand, hagelte es deshalb nicht die obligatorisch vernichtende Kritik. Stattdessen lobten alle Kruses Arbeiten für die Mannschaft und seine Identifikation mit dem Klub. Als dann im Spätherbst die Tore folgten, war er für die Fenerbahçe-Gemeinschaft endgültig "Kral Kruse" – "König Kruse".
Nachdem ihn bereits in der Hinrunde Leistenprobleme plagten, folgte Anfang März eine verhängnisvolle Verletzung am Sprunggelenk, die ihn bis zuletzt aus dem Verkehr zog. Anfang dieser Woche kam noch eine Blinddarm-Operation dazu. Nicht wenige Stimmen in Istanbul verspotteten Kruse bereits wegen dessen Verletzungsanfälligkeit – mit dabei auch der eigene Arbeitgeber: Im kommenden Sommer könne Kruse für fünf Millionen Euro hingehen wo er will, soll ein führender Fenerbahçe-Mann lapidar gesagt haben. Vermischt mit dem Zurückbleiben der eigenen Erwartungshaltung richtete sich der Ärger Fenerbahçes in den vergangenen Wochen mehr und mehr gegen Kruse, der noch wenige Monate zuvor als absoluter Transfer-Coup gefeiert wurde.
Fenerbahçe lockte mit Mega-Gehalt und Luxusvilla – Hat Kruse die Türkei falsch eingeschätzt?
Max Kruse gilt als leidenschaftlicher und durchaus talentierter Poker-Spieler. Aber auch der begnadetste Zocker setzt irgendwann einmal auf das falsche Pferd. Mit dem Wechsel zu Fenerbahçe bestätigte Kruse zwar seine Extravaganz, der Schritt an den Bosporus war letztlich aber der Falsche. Der Kadıköy-Klub lockte Kruse mit einer dreistöckigen Luxus-Villa am Stadtrand Istanbuls – inklusive Chauffeur – und einem Nettogehalt von rund 3,5 Millionen Euro, dazu den Status als absoluten Schlüsselspieler und Werbe-Ikone des 19-fachen türkischen Meisters.
Was Kruse jedoch unterschätzt hat, ist die Überschätzung Fenerbahçes vom eigenen Standing. Auch wenn es der Klub bestreiten mag, besteht am finanziellen Engpass der Türken kein Zweifel. Es wäre demnach nicht verwunderlich, wenn die Gerüchte um ausstehende Gehaltszahlungen der Wahrheit entsprechen. Ob Kruse ähnliche Probleme bei einem Verbleib in Bremen oder bei einem Verein in England oder Italien gehabt hätte, wo er auch gehandelt wurde, ist spekulativ, aber eher nicht zu erwarten; geschweige den von der Verhöhnung seiner Person und dem jetzt öffentlich angekündigten Gerichtsverfahren gegen ihn. Max Kruse hat sich verzockt.
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