Einzelne Mannschaftsteile oder gar Spieler für das türkische Scheitern bei EM zu benennen, wäre aufgrund des Kollektivversagens unfair. Gerade von der zuvor so hochgelobten Abwehr, die in der Qualifikation noch Bestwerte aufstellte, hätte man dann aber doch mehr erwarten können. 

Mit welch hohen Ambitionen ist die türkische Mannschaft ins Turnier gestartet. Und vor welch großem Scherbenhaufen liegt sie jetzt nach gerade einmal zwei Spielen in der Gruppenphase. Die "Halbmond-Sterne" haben sich binnen kürzester Zeit vom vermeintlichen Geheimfavoriten zur mit Abstand größten Enttäuschung dieser EM gewandelt. Nahezu alles, was die türkische Mannschaft in den vergangenen Monaten so stark machte, funktioniert in diesen Tagen zwischen Rom, Baku und den anderen EM-Standorten nicht mehr – ganz besonders aber die Defensive. Mit lediglich drei Gegentoren durchlief die "Milli Takım" die Qualifikationsrunde zur Europameisterschaft und verpasste sich mit dem türkischen Abwehrriegel ein echtes Markenzeichen mit internationalem Ruf. Kein einziges Gegentor entsprang dabei gar aus dem Spiel heraus – ein unerreichter Wert in der EM-Quali! Angesichts dessen wirkt es fast schon unreal, wie teilweise dilettantisch sich die Defensivreihe nun präsentiert.

Kein Verlass aufs vermeintlich gereifte Personal

Die für ihre Entwicklung im Ausland so hochgelobten Merih Demiral und Çağlar Söyüncü können der Mannschaft im Zentrum nur selten Stabilität verleihen. Gleiches gilt auch für das Personal auf den Außen. Bei Linksverteidiger Umut Meraş sind etwaige Schnitzer und Leistungsabfälle zugebenermaßen zu erwarten, bei Zeki Çelik – jüngst französischer Meister mit Lille geworden – darf indes deutlich mehr erwartet werden. Gegen Wales wies der Rechtsverteidiger eklatante Geschwindigkeitsnachteile gegenüber seinem direkten Gegenspieler James nach, sodass im Spielverlauf Mert Müldür auf ihn angesetzt wurde. Auch Kaan Ayhan, von vielen nach dem verkorksten Italien-Spiel zu Beginn, in der Abwehr gefordert, konnte die ihn in gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

Kollektiv zeigte die türkische Mannschaft allen voran bei der Aufnahme von Tiefenläufen des Gegners ein amateurhaftes Verhalten. Sinnbildlich dafür war der erste – und letztlich für die Moral der Mannschaft einmal mehr spielentscheidende – Gegentreffer durch Wales‘ Aaron Ramsey. Im Schatten seiner Gegenspieler konnte der Mittelfeldmann dabei durch die türkische Hälfte spazieren und letztlich komplett blank vor Torwart Uğurcan auftauchen und treffen.

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