Die Lehren des Derbi madrileño

Vor dem Madrider Stadtderby zwischen Atlético und Real wurde naturgemäß viel geschrieben. Von der jeweils letzten Chance war die Rede, um noch vor Weihnachten an den Spitzenreiter aus Barcelona heranzukommen. Nun, zwei Tage nach der Begegnung im Wanda Metropolitano, brauchen beide Großklubs ein Fernglas, um das auf zehnte Punkte enteilte Barça erblicken zu wollen.Und das völlig zu Recht.

Fangen wir mit Atlético an: Das Team von Diego Simeone stand jahrelang für aggressiven, mutigen Fußball, der neben einer Meisterschaft auch zu zwei Teilnahmen am Champions-League-Finale führte. Die Mannschaft agierte kompakt – zwar ohne den einen großen Star, dafür als vielköpfiges Monster, das für den Gegner meist unberechenbar war. Betrachtet man das aktuelle Atlético mit dem vor zwei Jahren, kann einem angst und bange werden. Gegen Real schaffte es Atlético mit Ausnahme von zwei Aktionen nicht ansatzweise, die einst so ausgereiften Stärken auf den Rasen zu bringen. Exemplarisch für die schwache Leistung war der völlig isolierte Superstar Antoine Griezmann, der eine Viertelstunde vor Schluss mit seiner Auswechslung regelrecht erlöst wurde.

Atlético schwach – Real aber auch

Nun könnte man bei der Schilderung Atléticos auf die Idee kommen, dass Real Madrid um Superstar Cristiano Ronaldo leichtes Spiel gehabt hätte. Doch weit gefehlt: Real agierte zwar spielbestimmend, hatte aber in der gesamten Begegnung nicht eine hundertprozentige Torchance. Warum? Weil Real viel zu selten kreative Explosivität auf den Platz brachte. Dies allein auf den Ausfall von Bale zu schieben – der ohnehin eine immer kleinere Rolle zu spielen scheint – wäre zu einfach. Weder Isco, noch Ronaldo, Benzema, Kroos oder Modric schafften es über 90 Minuten das offensichtlich verunsicherte Atlético zu knacken. Mit der Mannschaft, die im Mai noch so glamourös die Champions League verteidigte, hatte das wenig zu tun.

Und so standen am späten Samstagabend in Madrid im Grunde keine Sieger auf dem Platz. Als Schiedsrichter Borbalán die Begegnung endlich abpfiff, freute sich entsprechend auch niemand. Wirklich keiner? Stimmt so auch nicht, denn in Barcelona dürften die ersten Tulpengläser gekauft werden, in die der im Mai fällige Champagner serviert wird.