Der steile Aufstieg des Julian Weigl steht in großem Zusammenhang mit Ex-Coach Thomas Tuchel. Der mitunter schwierige und pedantische Fußballlehrer lotste Weigl im Sommer 2015 vom Zweitliga-Abstiegskandidaten 1860 München ins Ruhrgebiet und formte ihn binnen zwei Jahren zum scheinbar unverzichtbaren Leistungsträger der Borussia. Kurz vor Saisonende wurde Weigl der Traum des Pokalfinals gegen Eintracht Frankfurt durch einen Bruch des Sprunggelenks entrissen – und durch die lange Ausfallzeit und den Trainerwechsel wohl auch der Stammplatz.
Ende August kehrte Julian Weigl nun ins Dortmunder Mannschaftstraining zurück. Die bislang stark performende Borussia hat sich indes während Weigls Abwesenheit gefunden, und mit Nuri Şahin einen Sechser mit anderen Qualitäten integriert. Dass Weigl früher oder später auf seine Einsätze kommen wird und seine zweifellos vorhandenen Fähigkeiten gewinnbringend für den BVB einbringen wird, steht außer Frage. Wir sind dennoch der Meinung, dass der BVB zunächst auf das bestehende Mittelfeldkonstrukt mit Nuri Sahin als Fixpunkt vertrauen sollte.
Die Gründe hierfür: Taktisch agiert der BVB hochstehender als noch zu Tuchel Zeiten. Das frühe Pressing sorgt für teils attraktive Ballgewinne bereits in den gefährlichen Zonen des Gegners. Sahin weiß mit solchen Bällen eine Menge anzufangen, seine Vertikalpässe gehören zu den gefährlichsten Waffen im neuen BVB-System. Weigl ist eher für den bedächtigeren Spielaufbau mit einer Vielzahl an keinesfalls despektierlich gemeinten Sicherheitspässen bekannt. Außerdem betreiben die Borussen innerhalb der 90 Minuten eine temporäre Mittelfeldrotation, um immer wieder für Überraschungsmomente zu sorgen. Soll heißen: Auch die nominellen Achter wie Mario Götze und Gonzalo Castro tauschen zeitweise die Position mit Sahin, der dann offensiver agiert. Diese vorgeschobene Rolle ist für Julian Weigl nur schwer vorstellbar.
Bleibt Dortmund diesmal länger dran am FC Bayern?
Die Dortmunder Truppe wirkt eingespielt – gewann hochverdient gegen Wolfsburg und die Hertha. Und ein guter Lauf der Borussen im Herbst ist unabdingbar, will man dem Branchenprimus Bayern München in dieser Saison etwas länger Paroli bieten. Die Metapher "Never change a winning Team" wirkt mitunter zwar etwas zu inflationär benutzt, aber sie trifft den Kern der Sache. Zumal Spieler wie Julian Weigl, der den Bundesliga-Rekord für die meisten Ballkontakte während einer Partie hält, zwingend zunächst Spielpraxis brauchen, um ihr altes Niveau zu erreichen. Praxis, die die Borussia Weigl zunächst per Kurzeinsätzen gewähren sollte. Am Ende des Tages steht BVB Coach Peter Bosz vor einem wahren Luxusproblem, zu dessen Lösung auch erstmals die kommunikativen Fähigkeiten des Niederländers gefragt sein werden.