Vereinstreue Spieler sind in der schnelllebigen Fußballwelt zur Ausnahme geworden. Zumeist assoziiert man hiermit Spieler wie Francesco Totti bei der AS Roma, John Terry bei Chelsea London oder Philipp Lahm bei den Münchner Bayern. Alle genannten haben aber allein der Nationalität wegen schon einen Bezug zum jeweiligen Club – dass ausländische Spieler in der Ferne sesshaft werden ist dann schon eine andere Nummer. Gökdeniz Karadeniz ist zu einer solchen Nummer in Russland geworden – und spielt seine inzwischen zehnte Saison für Rubin Kasan.
Eine (fast) perfekte Karriere beginnt
Der im nordöstlichen Giresun geborene Karadeniz wurde im Jahr 1996 aus der Jugend in den Seniorenbereich von Trabzonspor hochgezogen. Nach vier Jahren in der zweiten Mannschaft schaffte er dann schließlich im Januar 2000 unter Trainer Ahmet Özyazıcı den Sprung in die erste Mannschaft. Und dort sollte er schnell zum Eckpfeiler heranreifen. Schon damals war seine Variabilität, die ihn offensiv im Grunde auf jeder Position brillieren ließ, seine größte Stärke. Und so sollte er eines der Flaggschiffe der besten Trabzonspor-Truppe der jüngeren Vergangenheit sein. 2003 und 2004 wurde jeweils der türkische Pokal gewonnen, auf Ligaebene ließen zwei Vizemeisterschaften die Fans vom ersten Titel seit 1984 träumen.
Und doch verlief die bis hierhin eigentlich als Bilderbuchkarriere anmutende Geschichte von Karadeniz nicht immer rund. Als ihm im Jahr 2005 die Beteiligung an verschiedenen Fußballwetten nachgewiesen werden konnte, setzte es neben einer Geldstrafe in Höhe von 40.000 Franken zusätzlich eine 10-monatige Sperre. Doch Karadeniz kam zurück – und sollte bis zu seinem Abgang im Jahr 2008 weitere 19 Treffer in 58 Begegnungen folgen lassen. Werte, die auch außerhalb der Türkei für Aufmerksamkeit sorgten. Für die damals exorbitant hohe Summe von 8,7 Millionen Euro wechselte Karadeniz zu Rubin Kasan – und das zweite große Kapitel seine Profikarriere begann.
Von Trabzon aus in die Welt
In Russland angekommen benötigte Karadeniz keine große Anlaufzeit. Schon in seinem dritten Spiel sorgte er für einen Paukenschlag: Im Auswärtsspiel beim favorisierten Zenit St. Petersburg schoss Karadeniz zwei Tore und bereitete einen weiteren Treffer vor – Rubin siegte fast schon sensationell mit 3:1 im Petrovsky-Stadion. Karadeniz wird später für eine tolle Saison belohnt und fährt im Sommer zur Europameisterschaft in die Schweiz und nach Österreich. Und die Erlebnisse dort dürfen getrost als Karriere-Highlights gewertet werden. Der türkische Kader wurde von Runde zu Runde kleiner, Verletzungen und Sperren sorgten dafür, dass für das Halbfinale gegen Deutschland nur noch eine Rumpfelf zur Verfügung stand. Dieser schlug sich dennoch bravourös, schaltete Kroatien aus und lieferte Deutschland einen Kampf bis zum bitteren Ende. Karadeniz kam in drei Partien jeweils von der Bank aus zum Einsatz, und erlebte den K.o. durch Philipp Lahms Treffer in der 90. Spielminute aus nächster Nähe.
Rekorde für Rubin Kasan
Trotz der bitteren Schlusspointe kehrte Karadeniz voller Selbstvertrauen zurück nach Kasan – und entwickelte sich schnell zum Star der Mannschaft, die nach der Meisterschaft im Jahr 2008 ein Jahr später auch in der Champions League für Furore sorgte. Den amtierenden Champion aus Barcelona schickte Kasan mit 2:1 nach Hause. Torschütze des Siegtreffers? Selbstverständlich Karadeniz! Bis heute sind seine 107 Torbeteiligungen (51 Tore und 56 Vorlagen) in 287 Spielen für Kasan ein absoluter Spitzenwert. Und über die Jahre hat auch das Wort des inzwischen 37-jährigen mächtig an Gewicht gewonnen. Ende Mai forderte er öffentlich die Demission von Trainer Javi García – nachdem Rubin die Saison nur auf dem enttäuschenden neunten Platz abschloss und Karadeniz nur noch eine Nebenrolle zukam. Und auch den passenden Nachfolger benannte er prompt: Ex-Trainer Gurban Berdiýew sollte nach Meinung Karadeniz‘ wieder in der Hauptstadt der Republik Tatarstan anheuern. Keine zwei Wochen dauerte es, und eben jenes geforderte Szenario wurde 1:1 von den Club-Verantwortlichen umgesetzt.
Karadeniz, ein feiner Kicker mit interessanter Vita, biegt dennoch langsam aber sicher auf die Zielgeraden seiner aktiven Laufbahn ein. Sein aktueller Vertrag läuft bis Juni 2018. Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht für den Ausnahmespieler. Wir von LIGABlatt bleiben in jedem Fall an ihm dran.