Der Begriff des Weltenbummlers wird in der heutigen Fußballwelt fast schon zu inflationär verwendet. Aber er beschreibt eben jene Spezies an Spielern, die im Laufe ihrer Karriere so manchen Verein, so manches Land und daraus resultierend so manche Kultur kennengelernt haben. Tuncay Şanlı, genannt Tuncay, ist einer von Ihnen. Dabei sah es zu Beginn seiner Karriere nicht danach aus.
Der in der Jugend von Sakaryaspor ausgebildete Tuncay fängt erst spät mit dem Vereinsfußball an – als er beim damaligen Zweitligisten im Jugendbereich aufschlägt, ist er bereits 14 Jahre alt. Was im Normalfall, gerade aus heutiger Sicht, undenkbar erscheint, entwickelt sich bei Tuncay zu einer Liebe auf den ersten Blick. In der ersten Mannschaft von Sakaryaspor angekommen macht Tuncay schnell auf sich aufmerksam. Seine Mentalität ist schon damals sein großes Plus: Wenn andere Spieler nach missglückten Aktionen frustriert abwinken, baut Tuncay sie auf. Wenn er vermeintlich zu steil auf seiner linken Außenbahn geschickt wird, erobert er jene Bälle durch unbändigen Einsatz. Er ist schon in jungen Jahren ein Spieler, der andere mitreißen kann – durch Worte und Taten. In seinen ersten Profijahren erzielt Tuncay in 32 Tore in 66 Partien.
Tuncay – ein Ziehsohn Werner Lorants
Die außergewöhnlichen Qualitäten Tuncays werden natürlich auch von den türkischen Spitzenvereinen wahrgenommen. Und so nimmt Fenerbahçe den damals 20-jährigen im Sommer 2002 unter Vertrag. Und Tuncay wird unter dem damaligen Übungsleiter Werner Lorant schnell zur Stammkraft. In 159 Partien erzielt er 47 Tore und bereitet weitere 28 vor – überragende Werte, die ihm den Spitznamen "Fenerbahçe’nin ruhu" ("Die Seele von Fenerbahçe") einbringen. Sein persönliches Highlight liefert Tuncay im Dezember 2004 – beim überragenden 3:0-Sieg über Manchester United führt er sein Team mit einem lupenreinen Hattrick zum Überraschungscoup.
Im Sommer 2007 wechselt Tuncay mit drei türkischen Meisterschaften im Gepäck nach England zum FC Middlesbrough – für satte 11,50 Millionen Euro. Und seine acht Tore in der Premierensaison 2007/08 können sich durchaus sehen lassen. Dass seine Karriere in den Folgejahren zu einer Art Groundhopping-Tour wird, liegt in erster Linie im Abstieg Middlesbroughs im Jahr 2008/09 begründet. Tuncay wechselt zunächst für zwei Jahre zu Stoke – dann zum VfL Wolfsburg. Es folgt ein Gastspiel als Leihspieler bei den Bolton Wanderers, bevor es im Herbst 2012 zurück in die Türkei zu Bursaspor geht.
Für jeden Spaß zu haben
Und auch wenn es sportlich in dieser Zeit durchaus hakt – den Humor verliert Tuncay nie. Bei seiner Ankunft in Wolfsburg verkündet Tuncay scherzhaft, alle Tickets für türkische Fans subventionieren zu wollen, die sich nun Spiele des etwas biederen VfL anschauen. Später revidiert er dieses "Angebot"– "sonst kann ich mein Gehalt ja gleich wieder abgeben", kommentiert er augenzwinkernd.
Bei der EM 2008 sorgt Tuncay zudem für ein persönliches Novum: Beim dramatischen 3:2-Sieg der Türkei gegen Tschechien hat die Türkei bereits dreimal gewechselt, als Torhüter Volkan Demirel vom Platz fliegt. Tuncay übernimmt – und feiert mit den Torwarthandschuhen an den Händen den Einzug ins Viertelfinale.
Am Ende wird’s exotisch
Nach seinem eher durchwachsenen Engagement bei Bursaspor, das im Februar 2014 mit einer Vertragsauflösung endet, wechselt Tuncay zu Umm-Salal nach Katar. Ein Jahr später geht es dann weiter in die aufstrebende indische Liga zu Pune City. Stationen, die Tuncay wohl zu Beginn seiner Karriere nicht zwingend auf dem Schirm hatte. Schon gar nicht im Alter von 14 Jahren – als er sich (zum Glück) dazu entschied, einem Fußballverein beizutreten. An eben jenem Ort ist Tuncay auch heute wieder aktiv. Als Trainer des heutigen Drittligisten Sakaryaspor versucht er ein wenig von dem zurück zu geben, was der Verein ihm einst ermöglichte.