Merih Demiral avancierte per Doppelapck zum Schreck der Österreicher. Die hierzulande umstrittene Bozkurt-Geste respektive der Wolfsgruß war aber der deutschen und österreichischen Presse ein Dorn im Auge. "rechtsradikal, faschistisch und menschenverachtend" lauteten die vielen Anschuldigungen. Die UEFA ermittelt und eine ganze Nation versteht es nicht. Ein Kommentar von LIGABlatt-Chefredakteur Fatih Şenel.
Politische Zeichen oder Slogans haben im Fußball nichts zu suchen. Ganz so einfach ist die Welt jedoch nicht. Dermaßen banal, populistisch und ohne historischen Background können auch Journalisten Demiral nicht zum Faschisten machen. Die türkische Mythologie ist nunmal ein Fachbereich, den man zumindest im Ansatz kennen muss, bevor man zu schnell urteilt. Nur weil die türkische Partei MHP, die in Europa umstrittene Wolfsgruß-Symbolik für sich beansprucht, oder eine Gemeinschaft ist, die in Europa als "ultra-nationalistisch" angesehen wird, ist Merih Demiral keinesfalls dazugehörig oder schuldig. Die Erklärungen des Verteidigers sind plausibel und jeder von uns darf stolz auf sein Land sein. Vergessen wir bitte nicht, dass in der Türkei zu keinem Zeitpunkt Faschisten das Land regiert haben. Und die demokratische Grundlehre sollte bitte kein Journalist aus Deutschland für sich beanspruchen. Der türkische Wolfsgruß ist weder faschistisch noch anderweitig kriminell.
Der Gruß bezieht sich auf eine türkische Legende, angelehnt an die sagenhafte Mythologie, wonach das türkische Volk von der Wölfin "Asena" abstammt. Demnach soll ein Junge als einziger das Massaker an seinem Stamm überlebt haben. Asena habe ihn gefunden und großgezogen. Diese Geschichte gilt als Ursprungsgeschichte der türkischen Völker. Erste Aufzeichnungen, die diese Geschichte erzählen, stammen bereits von einem chinesischen Historiker aus dem 1. Jahrhundert. Der heutige Bezug auf den Mythos entstand jedoch erst im 20. Jahrhundert und ist an eine zweite Legende angelehnt, wonach ein Wolf die von Feinden bedrohten Vorfahren türkischer Völker aus dem Tal "Ergenekon" herausführte und damit rettete.
Auch wenn der Wolfsgruß oftmals und fälschlicherweise mit dem Hitlergruß und der Nazi-Ideologie verglichen wird, sind beide Gesten nicht automatisch gleichzusetzen. "Beim Hitlergruß ist die Bezugnahme viel eindeutiger", erklärt der Politikwissenschaftler İsmail Küpeli gegenüber dem "Spiegel". Der Wolfsgruß hingegen beziehe sich nicht direkt auf eine bestimmte Partei oder Idee, sondern auf die allgemeine Bewegung türkischer Ultranationalisten. Es gebe auch sehr patriotische Türken, die ihn zeigten, obwohl sie mit den Grauen Wölfen nichts zu tun hätten, so Küpeli. Ähnlich beschreibt dies auch der Verfassungsschutz. Zudem ist das Zeigen des Wolfsgrußes in Deutschland nicht strafbar – anders als das Zeigen des Hitlergrußes.
"Ausländer raus" zu skandieren, ist aber eindeutig Rechtsradikalismus!
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